Zahnarztangst – viel häufiger, als Sie denken
Wenn Sie schon beim Gedanken an den Zahnarztbesuch ein flaues Gefühl im Magen bekommen, sind Sie damit nicht allein.
Etwa 40 bis 50 % aller Erwachsenen in der Schweiz verspüren in irgendeiner Form Zahnarztangst.
Und das ist völlig normal.
Viele Menschen haben in ihrer Kindheit oder Jugend unangenehme Erfahrungen gemacht – vielleicht war eine Behandlung schmerzhaft, vielleicht war der Zahnarzt damals einfach nicht besonders einfühlsam.
Ich erinnere mich gut an eine Patientin, nennen wir sie Frau S., Anfang 30. Sie kam das erste Mal zu mir, nachdem sie über acht Jahre keinen Zahnarzt mehr gesehen hatte. Beim ersten Gespräch sagte sie mit zittriger Stimme:
„Ich weiss, es ist schlimm, aber ich konnte einfach nicht. Schon der Gedanke ans Bohrgeräusch lässt mich erstarren.“
Genau solche Situationen sind der Grund, warum mir das Thema Zahnarztangst so am Herzen liegt.
Denn Angst ist nichts, wofür man sich schämen muss – aber sie darf Sie auch nicht von Ihrer Gesundheit abhalten.
Was genau ist Zahnarztangst – und wann wird sie zur Zahnarztphobie?
Zahnarztangst kann ganz unterschiedlich ausgeprägt sein.
Manche fühlen sich einfach unwohl, andere vermeiden den Zahnarzt über Jahre.
Man unterscheidet zwei Formen:
- Zahnarztangst (Dentophobie): Ein unangenehmes, aber kontrollierbares Gefühl, das mit Stress, Anspannung oder Nervosität einhergeht.
- Zahnarztphobie: Eine ausgeprägte Angststörung, bei der Betroffene den Zahnarztbesuch regelrecht vermeiden – oft über viele Jahre hinweg.
Typische Symptome sind:
- Herzklopfen, Schweissausbrüche
- Schlafstörungen vor dem Termin
- Zittern oder Weinen im Behandlungsstuhl
- Ohnmachtsgefühle oder Atemnot
Aber: Zahnarztangst ist behandelbar.
Und sie verschwindet oft, sobald Sie spüren, dass Sie gehört, verstanden und behutsam begleitet werden.
Wie entsteht Zahnarztangst?
Zahnarztangst hat viele Gesichter – und fast immer eine Geschichte dahinter.
Hier einige der häufigsten Ursachen, die ich in meiner Praxis erlebe:
1. Schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit
Das ist der Klassiker. Eine schmerzhafte Behandlung als Kind, eine unsensible Ärztin, ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Solche Erinnerungen bleiben tief im Unterbewusstsein gespeichert.
„Ich habe damals als Kind geschrien, und der Zahnarzt hat einfach weitergemacht.“
– Diese Aussage höre ich leider immer noch.
2. Angst vor Schmerzen
Selbst mit moderner Betäubung fürchten viele, dass die Spritze oder das Bohren wehtun könnten. Dabei sind heutige Methoden fast völlig schmerzfrei – das wissen viele einfach nicht.
3. Scham über den Zustand der Zähne
Nach Jahren ohne Kontrolle schämen sich viele, „wie schlimm es aussieht“.
Ich kann Ihnen versichern: Wir Zahnärzte verurteilen niemanden. Wir freuen uns, wenn Sie den Mut finden, zu kommen – egal, wie lange Sie gewartet haben.
4. Kontrollverlust
Im Zahnarztstuhl fühlt man sich ausgeliefert. Man sieht nicht, was passiert, man hört Geräusche, die unangenehm sind – das erzeugt Stress.
5. Angst vor Spritzen, Geräuschen oder Gerüchen
Der Geruch von Desinfektionsmitteln oder das Summen eines Bohrers kann Erinnerungen wachrufen.
Manche Menschen reagieren sensibel auf genau diese Reize – selbst, wenn objektiv nichts Bedrohliches passiert.
Warum Zahnarztangst ernst genommen werden muss
Zahnarztangst führt oft zu Vermeidungsverhalten – und das hat Folgen.
Wer den Zahnarzt über Jahre meidet, riskiert:
- Karies und Zahnfleischentzündungen, die sich verschlimmern
- Zahnverlust
- Schmerzen, Entzündungen oder Abszesse
- Scham und soziale Unsicherheit (z. B. beim Lächeln oder Sprechen)
Viele Patientinnen sagen mir nach der ersten erfolgreichen Behandlung:
„Hätte ich gewusst, dass das so angenehm sein kann, wäre ich schon viel früher gekommen.“
Deshalb ist mein Motto: Zahnarztangst verstehen, nicht bekämpfen.
Denn nur, wenn wir die Angst ernst nehmen, können wir gemeinsam Wege finden, sie Schritt für Schritt abzubauen.
Wie moderne Zahnärztinnen und Zahnärzte mit Zahnarztangst umgehen
Einfühlsame Gespräche und Transparenz
Bei uns beginnt jede Behandlung mit einem ausführlichen Gespräch – ohne Instrumente, ohne Druck.
Sie erzählen mir, was Ihnen Sorgen macht, und ich erkläre genau, was, warum und wie etwas passiert.
Diese Transparenz ist entscheidend: Wenn Sie verstehen, was auf Sie zukommt, verliert die Situation ihren Schrecken.
Langsames Herantasten
Wir machen alles in Ihrem Tempo.
Manchmal beginnen wir nur mit einer Untersuchung, ohne Behandlung. Beim nächsten Termin folgt eine kleine Reinigung, erst dann etwas Grösseres.
Jeder Schritt, den Sie schaffen, stärkt Ihr Vertrauen – und das ist der Schlüssel.
Moderne, schmerzfreie Behandlungsmethoden
Heute muss wirklich niemand mehr Schmerzen aushalten.
Es gibt:
- Ultraschallgeräte statt lauter Bohrer,
- hochwirksame, schonende Betäubungsmittel,
- Vibrationsfreie Behandlungssysteme,
- und sogar Behandlungen im Dämmerschlaf oder unter Lachgas.
Viele meiner Angstpatientinnen entscheiden sich anfangs für eine Sedierung – und sind überrascht, wie angenehm und entspannt die Erfahrung sein kann.
Beruhigende Umgebung
In modernen Praxen achten wir auf Licht, Klang und Atmosphäre.
Leise Musik, freundliche Farben, ein angenehmer Duft – das klingt banal, macht aber enorm viel aus.
Oft sagen Patienten beim Hereinkommen:
„Das ist ja gar nicht wie beim Zahnarzt – hier fühlt man sich wohl.“
Genau das soll es sein: ein Ort, an dem Sie sich sicher fühlen dürfen.
Hilfreiche Strategien gegen Zahnarztangst
1. Sprechen Sie offen über Ihre Angst
Das ist der wichtigste Schritt.
Sagen Sie Ihrer Zahnärztin gleich zu Beginn, dass Sie Angst haben. Ein erfahrener Zahnarzt reagiert darauf mit Verständnis – nicht mit Druck.
2. Vereinbaren Sie einen Beratungstermin ohne Behandlung
Ein erstes Kennenlernen, ohne dass etwas „gemacht“ wird, hilft vielen, Vertrauen aufzubauen.
So können Sie die Atmosphäre erleben, Fragen stellen und merken: Hier darf ich so sein, wie ich bin.
3. Entspannungstechniken anwenden
Atemübungen, Meditation oder progressive Muskelentspannung können helfen, die innere Anspannung zu lösen.
Manche Patienten bringen Kopfhörer mit und hören ihre Lieblingsmusik – das ist absolut erlaubt!
4. Schritt-für-Schritt-Ansatz
Niemand muss gleich eine grosse Behandlung machen.
Oft beginnen wir mit kleinen, angenehmen Erfahrungen – und jedes positive Erlebnis verringert die Angst für das nächste Mal.
5. Begleitung mitbringen
Wenn es Ihnen hilft, bringen Sie eine vertraute Person mit.
Ein beruhigendes Gespräch vor und nach der Behandlung kann viel bewirken.
6. Angstbewältigung durch Hypnose oder Sedierung
Bei starker Zahnarztangst bieten viele Praxen zahnärztliche Hypnose, Lachgas-Sedierung oder Behandlungen im Dämmerschlaf an.
Diese Methoden sind sicher, schonend und helfen, die Behandlung fast unbemerkt zu erleben.
Ein persönliches Beispiel aus meiner Praxis
Ein Fall, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war Herr L., ein ruhiger, sympathischer Mann Ende 50.
Er hatte über 20 Jahre keinen Zahnarzt aufgesucht.
Als er endlich kam, sagte er:
„Ich weiss, ich hätte längst kommen sollen. Aber die Angst war immer stärker.“
Wir begannen ganz behutsam – beim ersten Termin nur mit einem Gespräch, beim zweiten mit einer Zahnreinigung unter Lachgas.
Nach der dritten Sitzung meinte er:
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ohne Herzklopfen hier sitzen würde.“
Heute kommt er regelmässig – entspannt, lächelnd und angstfrei.
Diese Geschichten sind der schönste Teil meiner Arbeit.
Denn sie zeigen: Es ist nie zu spät, die Zahnarztangst zu überwinden.
Zahnarztangst bei Kindern
Kinder spüren Emotionen sehr stark – und übernehmen oft Ängste von Erwachsenen.
Wenn Eltern sagen:
„Das tut gar nicht weh, versprochen!“
ahnen Kinder sofort: Aha, da könnte also etwas wehtun.
Besser ist es, neutral zu sprechen:
„Der Zahnarzt schaut sich deine Zähne an und erklärt dir alles genau.“
In meiner Erfahrung hilft es, Kinder spielerisch an den Zahnarztbesuch heranzuführen – z. B. durch kurze Kontrolltermine, kleine Belohnungen und eine Atmosphäre, die Spass macht.
Kinder, die so positive Erfahrungen sammeln, entwickeln keine Zahnarztangst im Erwachsenenalter.
Zahnarztangst im Erwachsenenalter: Warum sie sich oft verstärkt
Mit zunehmendem Alter wächst oft auch die Angst – nicht, weil die Behandlung schlimmer wäre, sondern weil man mehr zu verlieren glaubt: Zähne, Kontrolle, Selbstwertgefühl.
Viele meiner Patientinnen und Patienten sagen:
„Ich bin so lange nicht gegangen, jetzt ist es bestimmt zu spät.“
Aber das ist ein Irrglaube.
Die moderne Zahnmedizin kann heute selbst schwer geschädigte Zähne retten oder schmerzfrei ersetzen.
Und jede Behandlung beginnt mit Verständnis, nicht mit Vorwürfen.
Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist
Wenn die Angst so stark ist, dass Sie nicht einmal anrufen oder einen Termin ausmachen können, kann psychologische Unterstützung helfen.
Verhaltenstherapie, Hypnosetherapie oder Entspannungsverfahren haben bei Zahnarztphobie sehr gute Erfolge gezeigt.
Oft genügt schon eine kurze Begleitung, um die Hemmschwelle zu überwinden.
Viele Praxen – auch in der Schweiz – arbeiten heute mit Psychologinnen und Angsttherapeuten zusammen.
Was moderne Zahnmedizin für Angstpatienten tun kann
Die Zahnmedizin hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt – auch speziell für Angstpatienten.
Hier einige Beispiele:
Lachgas-Sedierung
Ein sanftes Beruhigungsgas, das Angst und Würgereiz deutlich reduziert. Sie bleiben wach, sind aber tiefenentspannt.
Dämmerschlaf (intravenöse Sedierung)
Eine Kombination aus Schlaf und Entspannung – Sie nehmen die Behandlung kaum wahr, wachen ruhig und schmerzfrei auf.
Behandlung unter Vollnarkose
Für grössere Eingriffe oder extreme Zahnarztphobie. Sie schlafen komplett und spüren nichts.
Hypnose
Sanfte Trance-Techniken helfen, Ängste zu lösen und den Fokus vom Geschehen wegzulenken.
Digitale Technologien
3D-Scanner, Laser, abdruckfreie Verfahren – viele Dinge, die früher unangenehm waren, sind heute angstfrei und berührungslos möglich.
Fazit: Zahnarztangst ist keine Schwäche – sie ist ein Signal
Wenn Sie Angst haben, dann heisst das: Ihr Körper schützt Sie.
Aber manchmal darf man dem Körper zeigen, dass dieser Schutz gar nicht mehr nötig ist.
Die moderne Zahnmedizin bietet heute unzählige Möglichkeiten, Angst zu überwinden – mit Einfühlungsvermögen, moderner Technik und Geduld.
Ich sage meinen Patientinnen und Patienten immer:
„Sie müssen heute keine Angst mehr haben – das ist mein Job.“
Denn Vertrauen ist die beste Betäubung.
Also: Trauen Sie sich.
Ein erstes Gespräch, ein offenes Ohr, ein verständnisvolles Team – das ist oft der Anfang einer völlig neuen Zahnarzterfahrung.
Und wer weiss – vielleicht gehören auch Sie bald zu denen, die nach der Behandlung sagen:
„So schlimm war das gar nicht – eigentlich war’s richtig angenehm.“
Auch Sie haben Angst vor dem Zahnarzt? Vereinbaren Sie noch heute ein consultation and take the first step! 😊